Was sich nicht objektiv beobachten oder messen lässt, gilt gemeinhin als wissenschaftlich nicht nachweisbar. Doch heißt das im Umkehrschluss, dass Dinge, die man nicht sehen, anfassen oder messen kann, nicht existieren? Oder könnte es vielleicht Realitätsebenen geben, zu deren Erfassung unsere gewöhnlichen Methoden der Welterforschung einfach nicht ausreichen? Und falls dem so wäre, wie könnten wir Zugang zu solchen metaphysischen Ebenen erlangen? Zu diesen und weiteren Fragen finden Sie im Folgenden einige Antworten aus der Perspektive berühmter Philosophen.
Platon selbst interessierte sich natürlich stets für die große Wahrheit und würde sich mit demjenigen Menschen identifizieren, der seine Fesseln abgestreift und die Höhle erkundet hat. Platons eigenes Weltbild überschreitet dabei insofern unser Vorstellungsvermögen, als es weit über das hinausreicht, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen können. Für Platon ist die „normale“ Welt, so wie sie uns erscheint, nur ein mageres Abbild der eigentlichen, der großen, der wahren Welt. Sie ist nur eine „Schattenwelt“, so wie die Projektionen auf der Wand der Höhle.
Um zu verstehen, was seiner Meinung nach die „echte“, „wahre“ Welt ausmacht, verweist Platon auf sein Konzept der „Ideen“. Damit meint Platon keine spontanen Einfälle, sondern abstrakte, geistige Muster. Die wahre Welt, so Platon, bestehe aus abstrakten Ideen, sie sei ein „Reich der Ideen“ (modern gesprochen könnte man vielleicht von einer Art „Informations-Dimension“ sprechen). In diesem Reich, also in dieser höheren Realitätsebene, gibt es laut Platon keine Zeit. Ideen existieren ewig, ohne Anfang und ohne Ende. Und da Ideen rein geistige Bilder sind, gibt es dort auch keine Materie und keine räumliche Ausdehnung. Die Welt, wie wir sie wahrnehmen, ist demnach nichts weiter als eine Art Projektion oder Schöpfung aus dieser geistigen Welt heraus. Dabei nehmen wir als wahrnehmende - und laut Platon beseelte - Wesen eine besondere Rolle ein. Denn als Seele, also als geistige Entität, stammen wir ursprünglich selbst aus dem Reich der Ideen und stehen mit ihm in Verbindung, auch wenn wir uns im Alltag als verkörpert (inkarniert) in einer sinnlich wahrnehmbaren, materiellen und raumzeitlichen Welt begreifen. Weil es im Ideenreich keine Zeit gibt, müssen Seelen ohne Anfang und ohne Ende sein, also unsterblich. Dass es in der modernen Bewusstseinsforschung für diese zunächst spekulativ klingenden Annahmen durchaus ernstzunehmende Hinweise gibt, erfahren Sie in der Rubrik "Bewusstseinsforschung".
Auch der neuzeitliche Philosoph René Descartes (1596-1650) aus Frankreich, weltberühmt für seinen Ausspruch „Ich denke also bin ich“, liefert überzeugende Argumente dafür, dass die von uns sinnlich wahrgenommene Erfahrungswelt nicht zwingend der ganzen Wirklichkeit entspricht. In seinen Gedankenexperimenten geht er der grundsätzlichen Problematik nach, wie wir überhaupt der Wahrheit auf die Spur kommen können. Dabei ging er nach einer radikalen Denkmethode vor: Er zog alles in Zweifel, was man rein theoretisch als Trugbild aus der Welt wegdenken könnte. Was danach noch übrig bliebe, das müsse die Wahrheit sein.
Sein methodischer Zweifel führte Descartes auf abwegig klingende, aber rein theoretisch eben doch nicht sicher auszuschließende Gedanken. Laut Descartes könnte es z.B. sein, dass die Welt, die man sieht, in Wirklichkeit gar nicht so existiert. Denn alles, was man erlebt, könnte auch ein Traum sein. Oder: Was man für die Alltagswelt hält, könnte eine höhere Macht als Illusion im Gehirn generiert haben. Diesen Gedanken haben fast 400 Jahre später die Wachowski-Geschwister wieder aufgegriffen, als sie mit dem legendären Film „Matrix“ einen Welterfolg landeten. In die Philosophiegeschichte ist der gleiche Grundgedanke unterdessen als Gedankenexperiment vom „Gehirn im Tank“ eingegangen.
04:57 Minuten, englisch
In dieser Schlüsselszene aus dem legendären Film "Matrix" offenbart Morpheus dem von ihm aus der Simulation befreiten Neo, wie intelligente Maschinen die Menschheit in einer virtuellen Realität gefangen halten, ohne dass die Menschen es wahrnehmen können.
Anmerkung: Sollten wir tatsächlich in einer virtuellen Realität leben, muss dies natürlich nicht wie in dieser künstlerischen Interpretation eine von bösartigen Maschinen erzeugte Realität sein. Der Physiker und Bewusstseinsforscher Thomas Campbell geht zum Beispiel davon aus, dass ein nicht-materielles, geistiges Bewusstseinssystem (von dem wir selbst ein fraktaler Baustein sind) Urheber unserer Wahrnehmungen ist. Mehr dazu erfahren Sie diesem Artikel: Thomas Campbell's "My Big Theory of everything"
03:14 Minuten, deutsch
Was im berühmten Film "Matrix" künstlerisch ausgeschmückt wurde, ist in die Philosophiegeschichte als Gedankenexperiment vom "Gehirn im Tank" eingegangen - nämlich die Annahme, dass wir nicht sicher wissen können, ob wir in einer Simulation leben oder nicht. In diesem kurzen Videobeitrag wird das Gedankenexperiment sehr anschaulich und verständlich erklärt.
Anmerkung: Bei Minute 1:00 wird behauptet, unser bewusstes Erleben werde im Gehirn erzeugt. Warum dieser Kausalzusammenhang so wahrscheinlich nicht stimmen kann, erfahren Sie in der Rubrik "Bewusstseinsforschung", speziell im Artikel: "Die Rolle des Gehirns".
Machen wir uns diesen Gedanken Kants am besten anhand eines einfachen Beispiels klar: Ein Tonband ist so konstruiert, dass es weder Bilder noch Gerüche, Temperatur, Luftdruck oder sonstige Informationen über die reale Welt erfassen kann. Der technische Bauplan dieses Gerätes erlaubt es einfach nicht, ein vollständiges Abbild der Realität aufzuzeichnen. Und nicht anders verhält es sich mit unserem menschlichen Wahrnehmungsapparat auch: Die speziellen „Konstruktionseigenschaften“ unseres Verstandes und unseres Sinnesapparates schaffen erst die Voraussetzungen und die Grenzen, innerhalb derer wir die Welt erfassen können. Wir können die Welt nicht adäquat abbilden, egal, wie schlau wir uns dabei anstellen. Vielmehr schaffen wir unser Weltbild gemäß dem „Bauplan“ unseres Wahrnehmungsapparates.
Doch wie sieht dieser „Bauplan“ nun aus? Wie arbeitet unser Denk- und Wahrnehmungsapparat? Was Kant hierzu zu sagen hat, klingt ziemlich gewöhnungsbedürftig. Denn als einige der wichtigsten „technischen Bausteine“ unseres „Erkenntnisgerätes Verstand“ identifizierte Kant zum Beispiel den Raum, die Zeit und die Kausalität.
Ich bin demnach immer zweierlei: Ich habe einen fleischlichen Körper, den ich mir allerdings nur mit meinem Verstand vorstelle (siehe Kant). Und was ich in mir spüre, was mich treibt, das ist der Wille. Beide gehören aber zusammen, weil beide zu mir gehören. Man könnte es so ausdrücken: Mein Körper ist eine in Raum und Zeit ausgedehnte „Objektivation“ des Willens. Der Wille „verdingt“ und äußert sich sozusagen im fleischlichen Menschen. Doch er „objektiviert“ sich nicht nur dort. Schopenhauer war überzeugt, dass jener „Wille“ nicht nur in jedem einzelnen Menschen steckt, sondern letztlich die treibende Kraft hinter allen Erscheinungen unserer wahrnehmbaren Vorstellungswelt sei. Er sei universell und liege sämtlichen Wirkungen zu Grunde: Er zeige sich im Wachstum der Pflanzen, den Bewegungen der Planeten und auch der vom Menschen geschaffenen Kunst und Musik. Mit dem Willen wollte Schopenhauer also die ursprüngliche und bewegende Kraft hinter unserer gesamten Erscheinungswelt erklären. Das Geheimnis um die eigentliche Welt, um das von Kant für unergründlich erklärte „Ding an sich“, das Metaphysische, scheint damit gelüftet. Die eigentliche Wahrheit, das Wesen der Welt, das könnte eine allumfassende, geistige Energie sein, die Schopenhauer „Wille“ nennt. Dass Schopenhauer diese geistige Energie als rastlos, ziellos, unersättlich und damit als potentiell Leid erzeugend charakterisiert und ob er mit dieser Analyse recht hat oder nicht, soll nicht weiter Gegenstand dieses Artikels sein. Die moderne Bewusstseinsforschung kommt diesbezüglich zu differenzierten Schlüssen und arbeitet überdies mit empirischen Methoden, die bessere Möglichkeiten der Beurteilung ermöglichen (siehe hierzu die Beiträge in der Rubrik "Bewusstseinsforschung")
3:22 Minuten, deutsch
Im Jahr 1884 hatte sich Edwin Abbott die Geschichte von einer zweidimensionalen Welt ausgedacht - einem "Flachland". Die Bewohner dieses Landes können keine weiteren Dimensionen wahrnehmen. Anhand dieses Gedankenexperimentes lässt sich im Analogieschluss sehr schön zeigen, warum auch wir nicht ausschließen können, dass es weitere Dimensionen bzw. Realitätsebenen gibt, die wir mangels entsprechender Wahrnehmungsmöglichkeiten nicht richtig erfassen können (wohingegen Wesen, die sich in solchen Dimensionen bewegen, uns sehr wohl umfassend betrachten könnten).